StädteRegionstag für schnellen Atomausstieg in Deutschland – Einspruch gegen niederländische AKW-Planungen und Laufzeitverlängerung in Tihange/Belgien

Der Städteregionstag Aachen hat auf seiner Sitzung am 7.4.2011 mit den Stimmen von GRÜNEN, SPD, Linken und UWG beschlossen, von der Bundesregierung einen schnellen Atomausstieg zu verlangen. Zudem wendet sich der StädteRegionstag gegen die Laufzeitverlängerung für das nur 80 Km von Aachen entfernt liegende belgische AKW Tihange.

Auf Initiative von GRÜNEN und CDU hat der StädteRegionstag darüber hinaus einstimmig beschlossen, gegen die niederländischen Planungen zum Neubau des AKW Borsssele Einspruch einzulegen und RWE als Investor aufgefordert, das Vorhaben aufzugeben. Alle Mandatsträger der StädteRegion werden aufgefordert, sich, soweit sie Zugang zu RWE-Gremien haben, bei RWE im Sinne des Beschlusses aktiv zu werden.

Hintergrund ist die Tatsache, dass hinter unverantwortlichen AKW-Ausbauplanungen sehr oft deutsche Konzerne wie RWE stecken. Beispielsweise wollte RWE in Bulgarien, im erdbebengefährdeten Belene ein neues AKW bauen.

Die Beschlüsse im Wortlaut:

Schneller Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie in Deutschland und den Ländern der europäischen Gemeinschaft!

I. Stopp des Betriebs und des Neubaus von Kernkraftwerken in Borssele!

Kernenergie ist nicht beherrschbar, wie die ungeahnten und in ihren Ausmaßen kaum vorstellbaren, katastrophalen Ereignisse in Japan und die gefährlichen Zwischenfälle in Harrisburg und Tschernobyl gezeigt haben. Die Folgen sind in Tschernobyl immer noch sichtbar: Nach wie vor leiden Millionen von Menschen an den Folgeschäden. Ein Großteil der Wälder ist immer noch stark radioaktiv verseucht. Viele Menschen in der Nähe der Unglückstelle sind an Krebs erkrankt. Welche Folgen die nukleare Katastrophe in Japan annehmen wird, ist heute nicht abzusehen. Zu befürchten ist, dass sie die Folgen der bisherigen Störfälle aufgrund der viel dichteren Besiedlung im Norden Japans noch bei weitem übertreffen wird.

Das vermeintlich unwahrscheinliche Restrisiko der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist nicht beherrschbar. Der Nutzen dieser Technologie steht in keinem Verhältnis zu den unabsehbaren, schlimmen Folgen eines Störfalls, der sich selbst in einem hochtechnisierten Land zum Super-Gau entwickeln kann.

Gegenwärtig gibt es in den Niederlanden einen Druckwasserreaktor in „Borssele“, der 1973 in der Provinz Zeeland ans Netz gegangen ist. An diesem Standort sind aktuell zwei weitere Reaktoren geplant. Der Energieversorger Delta hatte im Juni 2009 ein Genehmigungsverfahren für Borssele 2 angestoßen, nun will die Energy Resources Holding B.V. in Borssele hier ein 3. Kraftwerk bauen. Borssele 1 sollte nach einem Beschluss der niederländischen Regierung bereits 2004 stillgelegt werden, diese Entscheidung wurde jedoch 2003 aufgehoben. Borssele 1 soll nun “ trotz der allseits bekannten Gefährdung durch radioaktive Strahlung “ bis 2034 weiter betrieben werden.

Die belgische Regierung hat 2007 die Laufzeiten der drei ältesten Kernkraftwerke des Landes um 10 Jahre, das heißt von 40 auf 50 Jahre, verlängert. Die in der Nähe von Aachen gelegene Anlage Tihange hat somit eine Betriebsgenehmigung bis zum Jahre 2025 erhalten.

Harrisburg, Tschernobyl, Biblis (Block A), Forsmark, Krümmel, usw. – immer wieder gibt es gefährliche Zwischenfälle in Kernkraftwerken. Alte Kernkraftwerke sind trotz Nachrüstung unsicherer als neuere. Reaktoren altern, die Reparaturanfälligkeit nimmt zu “ damit steigen die Risiken mit jedem Betriebsjahr an. Alte Meiler länger am Netz zu lassen ist daher unverantwortlich.

Ein Störfall im niederländischen Kernkraftwerk Borssele oder im belgischen Kraftwerk Tihange hätte enorme negative Auswirkungen auf die ganze Umgebung. Austretende Radioaktivität würde kilometerweit Luft, Wasser, Boden und Nahrungsmittel stark radioaktiv verseuchen.

Insbesondere ein Störfall im Ausmaß eines Super-GAUs in Tihange würde die Bevölkerung und die Umwelt unserer Region einer starken Strahlenbelastung aussetzen. Aachen und weite Teile der Eifel wären davon massiv betroffen, wie eine Studie der Universität Wien belegt, die Ende der 90er Jahre angefertigt wurde. Die Verseuchung würde angesichts der vorwiegenden Westwindlagen die gesamte StädteRegion Aachen erreichen und diese auf lange Sicht unbewohnbar machen bzw. deren Bewohnbarkeit erheblich einschränken.

Die Kernkraftwerke Borssele 2 und 3 verursachen eine zusätzliche Produktion und Lagerung von Atommüll und Atommülltransporten. Das Risiko von Transportunfällen steigt damit. Das Risiko von Anschlägen sowie Diebstahl von radioaktivem Material durch Terroristen nimmt zu. Die Bevölkerung kann vor unnötiger Strahlenbelastung nur geschützt werden, indem dauerhaft auf Kernkraftwerke verzichtet wird. Das bedeutet zunächst, auf keinen Fall neue zu errichten.

Deshalb fordert der Städteregionstag die Landesregierung NRW dringend auf, positiv auf die niederländische und die belgische Regierung einzuwirken, damit die geplanten Neubauten in Borssele und die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke in Borssele I und in Tihange gestoppt werden.

Darüber hinaus fordert der Städteregionstag die Bundesregierung auf, es nicht bei dem angekündigten Moratorium über den Ausstieg vom Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie in Deutschland zu belassen, sondern möglichst schnell den umfassenden Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie im Rahmen einer europäischen Lösung herbeizuführen und den Ausbau der erneuerbaren Energien intensiv zu fördern und mit allen Kräften zu unterstützen.

II. Einspruch gegen die RWE-Planungen in Borssele/Niederlande

1. Der StädteRegionstag Aachen lehnt jeglichen Neubau von Atomkraftwerken ab. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern muss europaweit gelten.

2. Der StädteRegionstag Aachen lehnt daher den geplanten Neubau der nur rund 250 km von Aachen entfernt liegenden Atomkraftwerke Borselle in den Niederlanden ab und erhebt im Genehmigungsverfahren hiergegen Einspruch.

3. Der StädteRegionstag Aachen fordert den RWE-Konzern, der diese Atomkraftwerke bauen und betreiben will, auf, dieses Vorhaben unverzüglich aufzugeben, und fordert alle Gremienvertreter der StädteRegion in den Gremien des RWE auf, aktiv auf eine Beendigung dieses Vorhabens hinzuwirken.